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Sind unsere kirchlichen Sozialstationen noch zu retten ?

1. Die betriebswirtschaftliche Ebene

Aus allen Teilen Deutschlands hört und liest man Meldungen, die das baldige Ende von Sozialstationen ankündigen.

Bei genauem Hinsehen zeigt sich, dass viele Sozialstationen wirtschaftlich schlecht dastehen, einige arbeiten auskömmlich andere erhalten betriebsfremde Zuschüsse mit denen sie sich am Leben halten.

Sozialstationen haben in der Regel 3-4 Hauptaufgaben:

  1. Die medizinische Behandlungspflege, (Injektionen,Verbände...)
  2. die Pflege (Morgentoilette, Hilfen beim Ankleiden...) und
  3. den hauswirtschaftlichen Dienst (Putzen, Kochen, Wäscheversogung) und ergänzende Dienste
  4. in einigen Bundesländern betreiben die Sozialstationen noch soziale Beratungsdienste, im Rahmen ihrer Aufgabenstellung.

Hier belasten insbesondere die hauswirtschaftlichen Dienste die Erfolgsrechnung negativ, da in diesem Bereich die Diskrepanz von zu zahlendem Tariflohn und abrechenbarem Entgelt am größten ist.

Für den Bereich der medizinischen Behandlungspflege gibt es unterschiedliche Auskünfte. Einige kommen mit den Entgelten zurecht andere haben auch damit ihre Not. Defizitgründe sind hier vor allem die Arztdichte und das Verhältnis von Mehrfachleistungen zu Einzelleistungen.

Bei einer großen Arztdichte stellen wir mehr selbst durchgeführte Leistungen der Ärzte fest, bei geringer Arztdichte wird mehr delegiert.

Bei mehreren medizinischen Leistungen an einem Patienten entstehen Zeiteinsparungen und damit gegebenenfalls auch Mehreinnahmen, Einzelleistungen können kaum kostendeckend erbracht werden.

Bei der Pflege entscheiden viele Einzelfaktoren über die Frage, ob die Leistung Kosten deckend erbracht werden kann oder nicht.

Immer älter werdende Patienten brauchen auch einen immer größeren Zeitaufwand zur Pflege.

Der Zeitverlust z.B bei der Pflege von dementen Menschen bildet keinen eigens abrechenbaren Leistungsteil und geht zu Lasten der Pflegedienste.

Lange Wege, umwegreiche Einbahnstraßensysteme und Parkplatznot kosten viel Zeit für die die Sozialstationen und nicht der Kostenträger aufkommt.

Die Qualitätsansprüche der Kassen und ihrer Medizinischen Dienste entsprechen nicht ihren Entgeltangeboten.

In den Entgeltverhandlungen sind die Kassen besonders zähe Partner, die sich von der Frage der Kostendeckung bei den Pflegediensten kaum beeinflussen lassen, vielmehr ist ihnen die eigene Haushaltslage Verhandlungsgrundlage.

Dies wird auch in absehbarer Zukunft so bleiben.

So oder so, es wird nicht mehr Geld für die Pflege zur Verfügung stehen. Es müssen aber Lösungen gefunden werden, da viele Einrichtungen zu Recht von ihrem finanziellen Niedergang reden.

Einer der notwendigen Schritte ist die fachlich hochwertige betriebswirtschaftliche Beratung der Stationen und die Einrichtung eines Controllings, welches die Stationen in die Lage versetzt, ihre Geschäfte willentlich zu steuern.

Das Controlling sollte von den Verbänden oder den Kirchen angeboten werden, um es mit dem notwendigen Blick von außen zu versehen.

Verwaltungen und Pflegedienstleitungen der Station sind betriebswirtschaftlich zu schulen.

Indessen wird es im Controlling wie im Führungsverhalten einen Blickwechsel geben müssen.

Wer mit der Mitarbeiterschaft verhandelt und in diesen Verhandlungen die Lohnzahlung sowie die Arbeitsbedingungen diskutiert, wird nicht ohne den Rat der Belegschaft auskommen.

Entweder wird die Reorganisation der Sozialstationen unter der Bedingung der Finanzknappheit eine demokratische, bis in die Mitbestimmungsrechte hinein und über sie hinaus, oder es wird keine. Controlling wird in diesem Sinne nicht nur die Sichtung und Steuerung der wirtschaftlichen Fakten bedeuten, sondern vor allem die Gewinnung der Mitarbeiterschaft für eine wirtschaftliche Betriebsführung, die auch auf den kreativen Kräften der Belegschaft beruht.

Die volle Einbeziehung der MAV in einen Controlling-Ausschuss der Station und volle Transparenz gegenüber der Mitarbeiterschaft ist hier nur der Anfang eines Denkens, welches ihr Heil in der Verbindung von Effizienz und Demokratisierung sieht.

2. Die gewerkschaftliche Ebene

Wer die Einnahmen nicht angemessen steigern kann, muss die Kosten senken.

Unter diesem Eindruck wird von den Verantwortlichen über die Tarifbindung in den Sozialstationen diskutiert.

Ob nun Arbeitsrechliche Kommissionen die Vergütungsmerkmale und die Eingruppierung verändern oder im hauswirtschaftlichen Bereich einfach untertariflich bezahlt wird oder aber Überstunden einfach nicht vergütet werden und jahrelang anstehen, die Lohnsenkung ist bereits im Gange. Diskutiert wird ja auch und gerade an dieser Stelle der BAT. Seine Neu-Konzipierung ist in Arbeit weil die öffentliche Hand eine verdorrende ist.

Zunehmend müssen sich Mitarbeitervertretung mit der Lohnsenkungsproblematik alternativ und auch ultimativ auseinandersetzen. Die Ergebnisse dieser Auseinandersetzung sind oft nicht bekannt und gehen zu Lasten der Schwestern und des Flächentarifvertrages.

Was macht ein Pflegedienst wenn die Kassen über alle Dienste hinweg rund 6 € zu wenig pro Stunde erstatten ?

Was macht ein Pflegedienst, wenn eine polnische Kollegin für wenige Euro rund um die Uhr seine Arbeit übernimmt und das nicht nur im hauswirtschaftlichen Bereich.

Für die Verantwortlichen, Mitarbeitervertretung und Mitarbeiter/innen stellt sich die Frage der Tariftreue alternativ zur Kündigung.

Es kann jedenfalls festgestellt werden, dass nach Lohnsenkung die Pflegekräfte entweder in andere, tariftreue Bereiche abwandern oder was noch schlimmer ist, den Pflegebereich ganz verlassen. Schon jetzt bleibt eine Großzahl der ausgebildeten Pflegekräfte nicht im Beruf.

Wenn einmal der Flächentarifvertrag als Richtgröße der Entgeltverhandlungen aufgegeben sein wird, dann gibt es nach unten keinen Halt mehr und die Pflegberufe werden nicht mehr zu den Berufperspektiven junger Menschen zählen.

Es ist auch nicht zu verstehen, warum klamme Kassen ihre Defizite durch Lohnabbau beim Pflegepersonal ausgleichen. Lohnabbau ist keine Lösung sondern ein Beschleuniger aller Probleme, die wir haben. Die Verteidigung des Flächentarifvertrages ist die Verteidigung der Pflege selbst.

Die Diskussion der Gewerkschaft ver.di mit den anderen DGB Gewerkschaften um die Haltung in den Organen der Selbstverwaltung der Kassen um den richtigen Standpunkt sind unerlässlich. Die Gewerkschaften können nicht mehr länger nur auf die Beitragshöhe bei den Kranken -und Pflegekassen schielen, es muss auch über Pflegequalität und deren Preis geredet werden.

3. Die politische Ebene

Die Pflegeversicherung wurde entgegen einer landläufigen Annahme nicht als "Vollkaskoversicherung" kreiert sondern eher als "Teilkaskoversicherung".

Sie geht grundsätzlich von einer Eigenbeteiligung des Pflegebedürftigen aus.

Einerseits gibt es die im Gesetz gar nicht vorgesehene aber von den Pflegeinrichtungen so getaufte "Pflegestufe 0", mit denjenigen Patienten, die zwar pflegebedürftig, aber die Einstufungskriterien nicht überspringen und damit Selbstzahler sind.

Andererseits sind die Entgelte der Pflegversicherung je nach Einstufung gedeckelt und bei Überschreitung der Deckelung durch die Pflegekosten, wird der Versicherte wiederum zum Selbstzahler. Hier entstehen für den Einzelnen Ausgaben, die für viele Rentner gar nicht tragbar sind. Der Weg zur Sozialhilfe ist weit und im ländlichen Bereich verzichten die alten Menschen lieber auf die Pflege, als das sie Sozialhilfe beantragen.

So hat die Pflegeversicherung viele Löcher gelassen, die von den Sozialstationen aufgrund ihrer humanistischen oder christlichen Leitbilder gestopft werden, ohne das sich andere Kostenträger finden.

Um die Pflegeversicherung und ihre Wirksamkeit zu verbessern, müsste die Deckelung der Leistungsentgelte angehoben werden, was direkt in der gegenwärtigen Konstruktion die Lohnnebenkosten steigern würde.

Diese Perspektive hat aber m.W. keine politische Partei in ihrem Programm.

4. Die gesellschaftliche Werteebene.

Wollen wir unsere Alten menschenwürdig pflegen und auch alt werden lassen oder wollen wir das nicht?

Neulich hat der Vorsitzende einer politischen Nachwuchsorganisation die medizinische Vollversorgung der Alten in Frage gestellt und ist dafür getadelt worden.

Ist damit eine Debatte eröffnet, die für die Alten schlecht ausgeht ?

5. Zusammenfassung

Die Pflegedienste brauchen auskömmliche Entgelte. Knappe Kranken -und Pflegekassen brauchen die Unterstützung des Staates.

Lohnkürzungen verschärfen alle Schwierigkeiten.

Die Gesellschaft muss diskutieren ob und wie sie ihre Alten pflegen will.

Wir alle sollten diese Diskussion provozieren und an ihr teilnehmen!

Die kirchlichen Sozialstationen sind nicht nur zu retten, sie müssen gerettet werden !

Klaus Schwarz, Diplom-Betriebswirt

Vorsitzender des Gesamtausschusses der Evang. Kirche in der Pfalz

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